Hiroyuki MATSUI war schon lange von Keramik begeistert und war Sammeler neben seinem Beruf. Erst mit 39 Jahren entschloss er sich auch selbst Keramik herzustellen. In Bizen hatte dann die Gelegenheit bei Tougaku Mori zu lernen. Nach seiner Ausbildung baute er selbst einen großen Holzbrennofen und versucht strebt nach der Schönheit der Momoyama Keramik.

Interview

Momoyama, große Brennöfen und Sake

Interview mit Hiroyuki Matsui


Auf meiner Japan-Reise 2019 habe ich einen Lehrling von Tougaku Mori getroffen, der sich seit mehr als 20 Jahren mit den alten großen Brennöfen der Bizen-Töpfereien beschäftigt. Im Februar 2020 kam Hiroyuki Matsui zum Abbau einer Ausstellung nach Deutschland. Bei einem Kaffee erzählte er mir von seinem Werdegang und Ideen.


In Deiner Vita kann man lesen dass Du erst spät zur Keramik gekommen bist.
Wie kam das?

Ich habe für eine Firma im Investment- und Bankensektor gearbeitet. Aber schon als Kind war ich fasziniert von Keramik. Tatsächlich lebte ein sehr bekannter Sammler von Bizen Keramik in unserer Nachbarschaft. Als Kind besuchte ich sein Haus viele Male und konnte so oft sehr alte Stücke bewundern. Dadurch ist mein Interesse an Keramik stetig gewachsen. Dennoch habe ich, wie fast alle
aus meiner Altersgruppe, in der Schule viel gelernt um auf die Universität zu gehen und nach dem Studium in einer Firma Geld zu verdienen. Auch dort hatte ich immer noch ein sehr starkes Interesse hauptsächlich als Sammler von Japanischen Kulturgut. Ich bin durch Japan und Asien gereist, um mir die unterschiedlichen Werke zu kaufen und anzusehen. In dieser Zeit wuchs der Wunsch, selbst Keramik zu machen, speziell Bizen Ware und ich suchte nach einem Weg, diesen Wunsch zu verwirklichen). Ich erkundigte mich und sah mir verschiedenen Plätze an, aber nach einigem Überlegen war für mich klar: der Weg der möglich ist, beginnt in Bizen. Bizen kenne ich seit meiner Kindheit und es liegt nur 40 Minuten von meinem Elternhaus entfernt. Zu der Zeit war ich schon verheiratet und hatte einen kleinen Sohn. Also war mir klar, ich kann das nicht als Hobby machen sondern mich professionell ausstatten um auch Geld damit verdienen zu können. Es dauerte 5 Jahre von der ersten Idee bis ich mich in diese Welt begab und meine alte Firma verließ. Das war als ich heraus fand, dass selbst ich in meinem Alter, noch in die Ausbildungsschule der
Präfektur Okajama aufgenommen werden kann.

Wie alt warst Du da?

38 oder 39 Jahre. Die Aufnahmegrenze war 40 Jahre. Aber ich war mir immer noch unsicher, ob ich mit 39 Jahren und Familie diesen Schritt wagen sollte. damals laß ich von Kei Fujiwara, der auch in Tokyo studierte und bis zu seinem 39. Lebensjahr in einen Verlag arbeitete. In seiner Familiegeschichte gab es keinen Keramiker. Aber er trat auch in diese Welt ein und machte Dinge, von
denen ich auch sehr beeindruckt bin. Das überzeugte mich, es zu wagen. Sollte ich die Eingangsprüfung nicht bestehen, also kein Talent haben, würde ich das auch akzeptieren.
Aber zum Glück habe ich die Prüfung bestanden.Ich war der Älteste. Etwa 50 traten zur Prüfung an und 15 wurden für die
einjährige Grundausbildung zugelassen.


Wie hast Du das finanziert?


Ja, da ich für die Firma fast 15 Jahre arbeitete, hatte ich etwas Geld gespart und zweitens konnten wir in Aioi im Haus meines Vaters wohnen. Ich pendelte nach Bizen. Das war nicht teuer. In dieser Zeit besuchte ich viele Töpfer in der Imbe Gegend mit meinem Studienfreund. Ich sah mir ihre Arbeiten an. Hauptsächlich um einen Meister für die Zeit nach dem Abschluss an der Schule zu finden. Unter all den Möglichkeiten hat mich die Arbeit von Tougaku Mori‘s Ogama am meisten beeindruckt. Nach einigen Besuchen hat er mich dann auch als Schüler akzeptiert. Die Ausbildung bei Tougaku Mori dauerte 5 Jahre. Ich studierte dort viele Themen. Aber er unterrichtete mich nicht direkt, ich sah nur zu. Jeden Tag sollte ich Ton aufbereiten – z.B. 300 kg – oder den Boden reinigen, das war gut für mich, sehe ich jetzt – zu der Zeit damals fand ich es hart.

Wie war die Vereinbarung als Deshi?

Da gab es keinen Vertrag und keine Ausbildungsdauer, die vereinbart war. Erst wenn er sagte, dass ich den Abschluss machen darf war meine Ausbildung beendet. Normalerweise sind das 4-5 Jahre, aber am Anfang ist das nicht klar.
Also habe ich nach 4 Jahren gefragt: „Ich habe einen Sohn, ich habe Familie, ich würde mich gerne selbständig machen, einen eigenen Ofen bauen und Sachen produzieren und verkaufen um Geld zu verdienen.“ Die Idee war zwar falsch,
aber ich fragte ihn ob ich so weit bin. Und er gestattete es mir nach 5 Jahren.
Aber auch nach dem Abschluss war ich noch weitere 10 Jahre als Mitglied am Shin-Ogama Projekts beteiligt. Beim Fertigstellen des Ofen-Baus und der Holzbeschaffung und auch beim Aufbauen der riesigen Arbeiten selbst. Das war
für mich eine sehr gute Erfahrung. Durch diesen Prozess lernte ich viel über die Geschichte von Bizen und der alten Ko-Bizen Ware der Momoyama Zeit.
Nur durch Beobachtung, also ohne die Praxis des Herstellungsprozess des Kanpoushin-Ogama zu durchlaufen, hätte ich die Bedeutung der prächtigen Stücke sicher nicht erkannt.
Es gibt keine niedergeschriebenen Rezepte oder Anweisungen, aber Tougaku lehrte mich das alles. Es geht nicht um das rein Technische, sondern es gibt da sehr viele heikle Punkte, selbst beim Tonanmachen.
Einfach einen Ton kaufen und damit zu arbeiten, geht nicht. Durch die 15 Jahre Zusammenarbeit mit Tougaku lernte ich das. Ich hoffe, dass ich irgendwann selbst fähig sein werde, Dinge in dieser Art und Qualität zu fertigen.
Durch einen Kontakt über einen Freund, kam ich zu einer Brauerei, die nach großen Behältern für die Sakeherstellung suchten. Der junge Meister hat auf einer Reise in Ungarn die Weinherstellung in Keramik-Gefäßen gesehen und sich
auf die alte Tradition auch in Japan besonnen.
Der traditionelle Brand der Momoyama-Zeit dauerte zwei Wochen, ohne Glasur. Diese Art von Keramik gibt es heute nicht mehr oft.

Hast Du diese großen Behälter, O-Game auch schon bei Tougaku gemacht?

Meine Hauptarbeit für Tougaku war Ton und Holz herzurichten. Alles im Bezug auf den Brand der Öfen. Normalerweise brannte Tougaku den 20 Meter Ofen einmal im Jahr. Da konnte ich dann auch 15-20 eigene Sachen mit brennen, die
ich in meiner Freizeit machte. In den ersten 4-5 Jahre wurde mir von meinen älteren Mitlehrlingen nicht gestattet große Töpfe für mich zu machen. Aber ich konnte viel üben. Nach 5 Jahren, als ich gut genug war gestattete mir Tougaku mit den älteren Deshi‘s
große Töpfe zu machen.
Diese Größe (5 Koku, ~900 l) ist sehr schwer zu beherrschen. Man arbeitet sich sehr langsam an die Größe heran. Die großen Töpfe kann man nicht auf der Drehscheibe herstellen, sondern nur aufbauen. Das ist sehr kompliziert und verlangt viel Zeit.
Wie war die Situtaion des großen Shin O‘Gama Projekts als Du zu Tougaku
kamst?

2001 war der 53 Meter Sabukaze-O’Gama, der größte Ofen dort. Als ich anfing
war gerade der Baubeginn des Kanpoushin-O’Gama. Ich habe den Bau 15 Jahre
lang begleiten dürfen, in einem Team aus 7 Personen und Tougaku.
Wann hast Du Deinen eigenen Ofen gebaut?
Zwei Jahre nachdem ich bei Toukaku meine Prüfung absolviert hatte.
Vorbereitungen für den Bau und die eigenen Arbeiten benötigten zwei Jahre.
Ich arbeite alleine mit meiner Familie. Aber beim jährlichen Brand kommen viele
Helfer.
Wie füllst Du den Ofen alleine einmal im Jahr?
Das ist sehr schwer. Der Ofen hat7 Abschnitte, und ich nutze nur die ersten 5
Abschnitte. Aber, dass 2/7 leer sind, macht beim Brand nichts aus. Wenn ich sehr
große O‘Game mache, wie diesen Mai, dann kann ich auch die Bereiche 6 und 7
im Ofen nutzen.
In meinem Jahresplan konzentriere ich mich 4-5 Monate auf die Produktion.
Einige Zeit bereite ich den Ton vor, einige Zeit, bereite ich das Holz vor, einige
Zeit kümmere ich mich um Ausstellungen. Im Winter und Frühling arbeite ich
täglich um den Ofen zu füllen.
Ich würde gerne länger arbeiten und alle Kammern füllen, aber dann ist nicht
gesichert, dass ich auch alles verkaufen kann. Das ist das Problem des
Professionellen Töpfers, ich muss die Ware auch verkaufen. Durch den Auftrag
der Sakebrauerei kann ich den Ofen voll brennen.
Die Töpfe sind ca. 1m Hoch und 80cm im Durchmesser, also 3 Koku (~ 500 l).
Werden die O‘Game auch mit Ware gefüllt beim Brand des 85m Shin-Ogama?In dem Brand im Mai nicht, ich setzte pro Abschnitt einen O‘Game und daneben kleinere Stücke. 2/3 der Kammer sind von einem O‘Game, 1/3 mit kleineren Stücken besetzt.
2015, im Brand von Tougakus 85 Meter-Ofen sind viele der Töpfe nicht heil aus
dem Brand gekommen. Ist das beim 20 Meter Ofen einfacher?
Da bin ich nicht sicher, ich habe meine Lehren aus dem Shin-O‘Gama Projekt
versucht umzusetzen. Ich habe den Ton nochmals etwas angepasst. Außerdem
habe ich noch vorsichtiger gearbeitet. Auch trocknet der erste Topf mindestens
vier Monate. Auch der Brand wird sehr langsam ablaufen. Ich hoffe ich schaffe
es, aber es ist dennoch sehr schwer, Töpfe in dieser Größe zu machen. Denn
niemand hat heute mehr das Wissen aus der Momoyama-Zeit. Zu dieser Zeit gab
es Gemeinschaftsöfen mit 50 Metern Länge und es wurden viele große Töpfe
hergestellt. Ich werde vier Töpfe aufbauen und brennen. Wenn davon weniger als
zwei überleben werde ich in 6 Monaten nochmals Brennen.
Von der Keramik zu leben ist nicht einfach, aber wenn ich diese großen Töpfe
verkaufe, kann es klappen.
Was denkst Du über das O‘Gama Projekt?
Ich denke 20 Meter ist das Minimum für einen Brennofen, um schöne Töpfe zu brenne. Wenn ich die Nachfrage habe, werde ich einen 50 Meter Brennofen für mich planen. Aber einen 50 Meter Brennofen kann man nicht alleine füllen. In
der Momoyama Zeit haben viele Töpfer einen Ofen gemeinsam genutzt und ihre Stücke gestempelt.
Tougaku ist nun 83 Jahre und er hatte wohl ursprünglich nicht an die Idee des Brennen in einer Gruppe gedacht, aber für ein neues Projekt wäre das etwas, woran Seine Söhne arbeiten können. Ich denke in 10 Jahren könnte auch ein erneuter Brand des großen Ofens stattfinden. Es gibt viele kleine Öfen in Bizen, aber darin kann keine Momoyama-Qualität erreicht werden. Selbst, wenn die Fähigkeit des Töpfers herausragend ist, ist er durch den Ofen eingeschränkt. Ich bin überzeugt, wenn man die höchste Qualität an Bizen Ware erzeugen will, ist der O‘Gama zwingend nötig. Kaneshige Toyu sagte das schon vor Jahrzehnten. Auch er wollte Ko-Bizen-
Qualität in seinem Ofen erreichen. Er meinte aber, nie die Momoyama-Qualität erreicht zu haben. Sein Ofen war kleiner als 10 Meter, und so fragte er sich ob es mit dieser Größe überhaupt möglich wäre. Nur wenige Töpfer in Bizen haben das zu Kaneshiges Zeit erkannt. Tougaku hatte dann die konsequente Idee des Shin-O‘Gama umgesetzt. In letzter Zeit gibt es einige junge Keramiker, wie Taiga Mori und andere, die das auch erkennen.
Für mich sind Tougakus O‘Gama Arbeiten am vielversprechendsten.

Vita

    *19.6.1960 in der Präfektur Hyogo
    1987 Master Abschluss an der Sopjia University
    1987 Angestellt bei der Nomura Securities Co.,Ltd.
    1992 Arbeit für aus Aussenministerium Japans
    2000 Ausbildung im „Bizen Training Center for potters“ in der Präfektur Okayama
    2001-2006 Ausbildung bei Tougaku Mori
    Mitarbeit am O-Gama Projekt (85m) bis zu dessen Abschluss 2016
    2005 Teilnahme am 6ten Brand des großen Ofens von Tougaku Mori (54m, 66 Tage)
    2006 Aufbau einer eigenen Werkstatt mit Brennofen (20m Länge)
    erster Brand des Ofens (14 Tage, 11 Brände bis 2020)
    erste Ausstellung in Ginza, Tokyo
    Teilnahme am „Setouchi Cultural Festival“ als Mitglied der Mori Schule
    2009 Eröffnung der Galierie „Kominka“
    2011 Teilnahme am Brand des Großen Ofens (54m, 60 Tage)
    2012 Sonderausstellung der Tougaku Mori Schule zum 80sten Jahrestag des Tenmaya Kaufhauses in Okayama
    2015 Teilnahme am Brand des O’Gama (85m, 107 Tage)
    Spende eines großen Blumentopfes an den Kakurinji Temple (鶴林寺) in der Präfektur Hyogo
    2016 Teilnahme an der Tougaku Ausstellung im Okayama Stadtmuseum
    2018 Erste Ausstellung außerhalb Japans in Shanghai

    Preise

    *Japan Ceramic Cotest(Nippon Touten)
    *Zentouten
    *Modern pottery contest for tea ceremony(Oribe) in Gifu
    *Pottery section of the Japanese National Cultural Festival
    Ausstellungen in Japan
    Mitsukoshi(Niigata)
    Takashimaya(Osaka)
    Matsuzakaya(Nagaya)
    Tenmaya(Okayama, Kurashiki, Hiroshima, Fukuyama, Yonago)
    Gallery Yaesu Tokyo
    Gallery Ogawa Akasaka
    Atelier Hiro(Osaka)
    Hakutaka Brewery(Nada Hyogo)
    Kakurinji Temple
    etc.

    Ausstellungen ausserhalb Japans

    Shanghai (2018,19, 20)
    New York (2018)
    Paris(2018)
    Taipei (2019)
    Köln(2019)
    San Diego, Los Angeles (August 2020)

    Im Rahmen meiner Reise habe ich Hiroyuki MATSUI 2019 bei Tougaku MORI getroffen